Adelina Wainschel kommt als erstes Kind des Kaufmanns Oskar Isidor Wainschel und Henriette Wainschel, geborene Stiefelzieher, am 6. Dezember 1920 in München zur Welt. Ihr Vater stammt aus Bazalija in Wolhynien (heute Nord-West-Ukraine), ihre Mutter aus Ulanów in Galizien (Südpolen); beide Landschaften grenzten aneinander. Sie hatten im Februar 1920 in München geheiratet. Adelina bekommt am 31. August 1922 einen Bruder, Lothar, und am 2. Juli 1925 noch die kleine Schwester Ilse.
Der Vater war mit seinen Eltern, Israel (Srul) und Dora (Dobrisch) Wainschel, schon 1901 als Achtjähriger mit sieben Geschwistern nach München gezogen. Zwei weitere Geschwister, Bertha und Hermann Wainschel, Tante und Onkel von Adelina werden 1904 und 1905 in München geboren.
Die Großeltern waren im Zuge der mit den Pogromen in Russland 1881 beginnenden großen Auswanderungswelle von Millionen Juden nach Mittel- und Westeuropa ins deutsche Kaiserreich gekommen und hatten sich in der Isarvorstadt im Gärtnerplatzviertel in München eine Existenz aufgebaut, zunächst mit einer Eier- und Butterhandlung, dann mit einer Trödelei und zuletzt, bevor der Großvater sich zur Ruhe setzte, mit seinem Schwiegersohn, Georg Schneer Meerowicz, einem Pelzhandel.
Vater Oskar Wainschel hat eine solide kaufmännische Berufsausbildung. 1915 bis 1918 nimmt er am 1. Weltkrieg teil. Er betreibt von 1919 bis 1932 eine Kartonagenfabrik, daneben von 1930 an eine Provisionsvertretung in Wäsche und Leinen, die dann in einen Handel mit Textilwaren, Stoffen und Steppdecken mündet. Seit Anfang 1938 hat er eine Handelsvertretung in Rauchwaren im Glockenbachviertel; sein Gewerbe wird nach der „Kristallnacht“ abgemeldet. Die Mutter Henriette Wainschel versucht ebenfalls, den Lebensunterhalt zu sichern und arbeitet als Buchhalterin.
Adelina besucht nach der Grundschule zunächst eineinhalb Jahre das Lyzeum, dann war sie wieder in der Volksschule gemeldet. 1935 bis 1936 kann sie die vom Jüdischen Frauenbund in Verbindung mit dem betriebene "Wirtschaftliche Frauenschule auf dem Land" Haushaltungsschule in Wolfratshausen besuchen. Hier können Mädchen nach Abschluss der Schulzeit in einem Lehrjahr eine hauswirtschaftliche Ausbildung bekommen.
Bruder Lothar feiert im September 1935 in der Synagoge an der Reichbachstraße seine Bar Mizwa.
Großvater Israel Wainschel stirbt im Mai 1939 mit 80 Jahren. Im gleichen Monat kann die 13-jährige Schwester Ilse, mit einem Kindertransport nach London gelangen. Adelina arbeitet ab August 1939 im Krankenheim der Israelitischen Kulturgemeinde als Hausgehilfin.
Der 15-jährige Bruder Lothar wird ab Dezember 1939 mit Unterbrechungen, die er zu Hause verbringt, auf eine erhoffte Emigration nach Palästina im Hachschara-Zentrum „Landwerk Neuendorf“ bei Fürstenwalde im Gärtnereiwesen ausgebildet.
Die Eltern bemühen sich auf jede erdenkliche Weise, ins rettende Ausland zu gelangen und für ihre Kinder die Ausbildungs-Grundlagen dafür zu schaffen. 1939, 1940 und 1941 versuchen Lothar und Henriette Wainschel vergeblich die Emigration in die USA. 1940 wird das amerikanische Einreisevisum sogar erteilt. Es läuft jedoch im August 1940 ab, da sie „nicht zum Dampfer gelangen konnten“, wie dies ein polizeiliches Schreiben vom 12. Dezember 1940 lapidar besagt. Ein Beleg für die bewilligte Emigration nach Amerika über Spanien und Portugal findet sich auch in einem Brief des Hachschara-Zentrums Neuendorf im Pass von Lothar Wainschel. Sogar eine „Immigration Visa No. 286“ für die USA vom 3. Mai 1940 ist vorhanden.
Die Eltern Oskar und Henriette versuchen, sich ab März 1941 im Krankenheim der Israelitischen Kultusgemeinde in der Hermann-Schmid-Straße 5-7 über Wasser zu halten, sie als Köchin, er als Wäscher.
Ab August 1941 muss Adelina dort ihre Stellung als gelernte Hausgehilfin verlassen und im „Jüdischen Frauenarbeitslager“ in der Flachsröste Lohhof Zwangsarbeit leisten.
Am 20. November 1941 wird die in München lebende Tante Regina Meerowicz, geborene Wainschel, im Alter von 47 Jahren zusammen mit ihrem 48-jährigem Mann, Georg Schneer Meerowicz, und ihren Kindern, Gisela und Elfriede Margot, nach Kaunas deportiert und dort fünf Tage später ermordet. Cousine Gisela ist 16, Cousine Elfriede 11 Jahre alt und am 9. November 1930 geboren. Heute wäre ihr 86. Geburtstag.
Am 4. April 1942 wird auch Adelina mit ihren Eltern und ihrem Bruder deportiert; Bruder Lothar war extra dazu aus seiner Ausbildungsstätte Neuendorf der Deportation aus München „zugeführt“ worden. Der Zug fährt nach Piaski; dort werden Adelina und ihre Eltern ermordet.
Die Mutter Henriette ist zu diesem Zeitpunkt 50 Jahre, der Vater Oskar 49, Adelina 21 Jahre alt. Der 19-jährige Lothar wird am 31.Juli 1942 in Majdanek ermordet.
Die Großmutter Dora Wainschel, geborene Landau, wird eine Woche nach ihrem 78. Geburtstag am 11. Juni 1942 nach Theresienstadt und von dort am 19. September nach Treblinka deportiert und ermordet.
Adelinas Schwester Ilse überlebt die Shoah, gerettet durch den Kindertransport und dadurch, dass sie von Verwandten aufgenommen werden kann. Sie lebt heute in Kalifornien.
Zwei ihrer Tanten väterlicherseits waren schon früh in die USA ausgewandert, Tante Maria Rothbard als 19-jährige 1910, Tante Bertha 1923. Onkel Isidor glückte die Emigration nach New York 1935, Onkel Julius und Onkel Hermann folgten 1938.
Ilse Macek